Eine Coiffeuse, eine Verletzte, eine Physiotherapeutin und sieben Saloon-Girls in Otelfingen.

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Endlich können wir unsere neu einstudierte Choreographie vorführen. Corona machte es uns nicht leicht diese zu erlernen. Die Halle war teilweise geschlossen und wir trainierten über Zoom, jede für sich, in seinen eigenen vier Wänden. Das Ergebnis lässt sich sehen.

8.45 Uhr Treffpunkt Bahnhof Altstetten für vier Gymnastikerinnen. Das Ziel ist die RMS in Otelfingen. Es ist der aller erste Wettkampf für mich. Bereits gestern Abend war ich sehr aufgeregt. “Wie komme ich mit meinen fast 50 Jahren auf diese Idee, mit sowas zu beginnen?“ dachte ich mir. Dementsprechend habe ich auch geschlafen. Bereits um 6 Uhr morgens wachte ich auf und konnte nicht mehr weiterschlafen. Ich stand auf, trank meinen obligaten Kaffee und habe nochmals die Choreo geübt. Zwanzig nach sieben mache mich bereit und gehe los. Je näher ich dem Bahnhof komme, desto mehr pocht mein Herz. Ich bin so aufgeregt, dass ich glatt die Treppenstufe verfehle und mir heftig den Fuss verrenke. Egal, davon lasse ich mich nicht aufhalten.

Im Zug treffen wir auf noch auf ein weiteres Mitglied unserer Gruppe. Weitere Gspänli steigen nach und nach dazu, andere warten bereits in Otelfingen auf uns. Im Festzelt suchen wir uns einen Platz. Dieser fungiert als Coiffeursalon und Schminktisch. Debby gelangt es im Nu, uns alle mit einem Seitenzöpfchen, zu versehen. Damit wir von Kopf bis Fuss eine Einheit bilden, nutzen wir alle denselben Lippenstift. Nicht alle waren so Fan davon, doch wer Andi kennt, weiss, dass sie nicht so leicht von ihrem Plan abzubringen ist. Was machte eigentlich mein angeknackster Fuss? Zum Glück haben wir Sarah, unsere Physiotherapeutin, so wie viele mitdenkende Gymnastikerinnen im Team. Schnell wurden mir eine Schiene montiert und ein Medikament gegen die Schmerzen verabreicht. Sobald alle in ihrem Wettkampftenue stecken, geht es los zum Aufwärmen. Einen Platz dafür zu finden, ist gar nicht so einfach. Am ersten Ort jagt uns der Abwart nach kurzer Zeit wieder weg, um Parkplätze zu schaffen. Schlussendlich tanzen wir auf einer kleinen, unebenen Wiese, mit einem riesigen Baum in der Mitte, immer auf der Hut, nicht noch mehr Verletzte zu generieren. Schon ist es so weit. Wir müssen uns in Richtung Wettkampfplatz begeben. Mein Herz beginnt wieder zu pochen, wir sind alle extrem aufgeregt. Ich habe riesige Angst, die ganze Choero zu verpatzen.

Nun stehen wir auf dem Platz. Zuerst liefen ich und meine Tanzbuddy in die falsche Richtung. Oh mein Gott, wie peinlich. Andi zitierte uns schnell in die korrekten Ecke. Ich liege auf der Wiese, schaute in den Himmel und atme einmal tief durch. Schon erschallt unsere Musik aus den Lautsprechern. Mit dieser spielt sich in meinem Kopf der Film ab, denn wir so lange bereits verinnerlicht hatten. Wir geben alles, um die Wertungsrichter und das Publikum zu begeistern. Sogar einen kleinen Fanclub ist dabei. Wir tanzen und tanzen, bis die Musik zu Ende ist und sogleich der Applaus einsetzt. So ein tolles Gefühl! „Ich habe den Auftritt gemeistert!“, schreit es innerlich in mir. Die Freude von uns allen ist riesig! Wir klatschen uns gegenseitig ab und nehmen einander in die Arme. Natürlich darf nach so einem nervenaufregenden Ereignis ein Gruppenfoto nicht fehlen.


Nach diesem tauschten wir unsere Wettkampfkleidung wieder gegen unseren Vereinstrainer aus. Im bequemen Look schauen wir den anderen Vereinen bei ihrer Aufführung zu. Andi muss leider noch als Wertungsrichterin einspringen. Am Ende aller Aufführungen kommt Andi zu uns, um die Wettkampfnote mitzuteilen. Wir sind gespannt. Als sie uns die Bewertung bekannt gibt kann ich es kaum glauben: 8.85 Punkte von 10! Unsere Freude ist riesig. Was für ein erfolgreicher Tag!

Text: Carmen Kretz