M wie Mentales Training

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Ein Beitrag von Eva.

«Mens sana in corpore sano» ist eine lateinische Redewendung und bedeutet: «Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper».

Dahinter steckt die Überzeugung, dass sowohl Körper wie auch Geist eines Menschen gleichermassen gesund sein sollen und daher auch gepflegt werden müssen. Im Sport bedeutet dieser Satz, dass sich ein ganzheitliches Training nicht nur mit dem Körper, der Physis, sondern auch mit dem Geist, der Psyche, beschäftigen sollte. 

Wie wir den Körper trainieren, wissen wir. Zumindest haben wir eine Ahnung davon, wie ein Training der Physis aussieht. Muskeln und Gelenke werden aufgewärmt, Bewegungen immer wieder wiederholt, Krafttraining, Ausdauertraining und vielleicht noch etwas Dehnen. Aber wie halten wir denn unseren Geist, unsere Psyche, fit? Was trainiere ich genau, wenn ich «nur» im Kopf trainiere? Und:

Was bringt mir das Training der Psyche?

Das Training der Psyche wird auch als «Mentales Training» beschrieben. Es beinhaltet das systematische und kontrollierte Verbessern von ganz normalen psychischen Abläufen. Darunter fällt beispielsweise das Regulieren von Gefühlen und Emotionen oder das Steuern von Wahrnehmungs- und Denkprozessen. Es geht darum, eine Athletin mental stark zu machen, damit sie mit Druck und schwierigen Situationen verbessert umgehen kann. Auch dient der Einsatz von mentalem Training zum Erlernen von neuen schwierigen Elementen. Zwei Hauptbereiche können mit mentalem Training verbessert werden: die emotionale Stabilität und die mentale Stärke

Emotionale Stabilität bedeutet, dass negative Emotionen weniger auftreten und wenn sie auftreten, diese reguliert werden können. Denn: negative Emotionen (z.B. Angst, Angespanntheit, Enttäuschung, Neid) führen dazu, dass Hirnregionen aktiv werden, welche für Stress- und Angstreaktionen verantwortlich sind. Dies ist eine schlechte Voraussetzung für stabiles Lernen und stabile Leistungserbringung. Vielmehr helfen im Training, am Wettkampf wie auch im Privaten positive Emotionen (Freude, Vorfreude, Stolz, Zufriedenheit). Diese lassen die Energie fliessen und befördern ein positives Lern- und Leistungsklima.

Mentale Stärke bedeutet, dass sich eine Athletin gut konzentrieren, ihre Psyche regulieren und ihren Willen steuern kann. Eine Athletin ist mental stark, wenn sie ihre Aufmerksamkeit bewusst lenken kann. Die Aufmerksamkeitslenkung oder auch Konzentration, ist eine wesentliche und leistungsbestimmende Fertigkeit in jeder Sportart. Denn, je nachdem auf was sich eine Athletin konzentriert, empfindet sie andere Emotionen, welche wiederum die Leistung beeinflussen. 

Ein Beispiel: Wenn ich an einem Wettkampf ans Reck trete und mich darauf konzentriere, wie ich im letzten Training beim Durchhocken vom Reck gefallen bin, wie werde ich dieses Element wohl ausführen? Und was für Emotionen werden sich wohl in mir aufbauen? Eher Angst und Selbstzweifel und auf keinen Fall eine innere Überzeugung, dass ich das schaffen kann. Konzentriere ich mich jedoch auf die Ausführung, auf einige Punkte, die entscheidend sind, dass das Element klappt, also z.B. auf die Vorlage der Schultern und auf das Fixieren eines Punktes vor mir, um mich mit dem Blick zu stabilisieren, schaffe ich das Element eher und ich empfinde weniger störende Emotionen.

Das mentale Training soll also helfen, psychische Prozesse zu verbessern. Die wichtigsten Trainingsbereiche sind: Motivation und Selbstvertrauen fördern, sich konzentrieren, Psyche regulieren und Willen steuern. Um diese Trainingsbereiche zu verbessern, gibt es grundsätzlich drei Techniken: das Visualisieren, das Selbstgespräch und die Atemregulation.

1. Visualisieren

Beim Visualisieren stellt sich die Athletin eine Situation oder Bewegung vor und simuliert mental ein reales Ereignis. Die Athletin lässt in ihrem Kopf eine Art Film ablaufen, den sie bewusst steuert. Dabei aktiviert die Athletin nicht nur das bildliche Vorstellungsvermögen, sondern sie versucht möglichst alle Sinne zu aktivieren. Beim Visualisieren soll die Athletin also auch Spüren, Riechen und Hören. Die Athletin kann dabei zwei Perspektiven einnehmen: Bei der internalen Perspektive, der Innensicht, sieht die  Athletin bildlich, was sie auch in Wirklichkeit sehen würde, wenn sie diese Bewegung ausführt. Bei der externalen Perspektive sieht sie sich selbst aus der Sicht einer dritten Person oder wie auf einer Videoaufnahme.

Das Visualisieren ruft bei der Athletin eine unbewusste, nicht spürbare Aktivierung der bei der Bewegungsausübung beteiligten Muskulatur hervor. Diese Muskulaturaktivierung ist stark genug, um eine kinästhetische Rückmeldung an das Gehirn zu liefern (Gehirn-Körper-Verknüpfung). Somit stärkt Visualisieren das Bewegungsmuster und dessen Speicherung im Gehirn. Es besteht also auch die Möglichkeit, während einer Verletzung, in den Ferien und zu jeder Zeit ohne Geräte oder sonstige Ausrüstung das Visualisieren zu üben. 

Visualisieren soll man erlernen, regelmässig üben und wenn möglich mit physischem Training kombinieren. Auch Wettkämpfe können mit Visualisieren vorbereitet werden. Denn im Wettkampf sollte man von Nichts überrascht werden, dies würde die Aufregung steigern und eine Stresssituation hervorrufen. Mit Visualisieren kann jede heikle Situation im Wettkampf erfunden und gelöst werden. Jede Eventualität muss erahnt werden, um sich schon vorher für die beste Möglichkeit zu entscheiden, um die Situation in den Griff zu bekommen. Auch kann jeder Wettkampf so visualisiert werden, dass er samt Aufwärmen und Rangverkündigung nur noch ein Routineanlass ist. Das Schwelgen in unrealistischen Phantasien ist jedoch zu vermeiden! Das innere Bild muss möglichst mit dem in Wirklichkeit zu erwartenden Bild übereinstimmen, und zwar basierend auf dem, was man bereits von seinen Gegnern, über die Situation und sich selber weiss.

2. Selbstgespräch

Ein Selbstgespräch ist ein innerer Dialog in Form von Gedanken, die an die eigene Person gerichtet sind. Damit können der eigenen Person Handlungsanleitungen gegeben werden. Zum Beispiel: «Mach weiter!», «Lauf schneller!» oder «Spanne deine Muskeln an!». Selbstgespräche können auch die Motivation fördern, indem sich eine Person Mut zuspricht: «Ich kann das!» oder «Ich werde das richtig machen!»

Selbstgespräche können auch negativ geprägt sein, diese beeinflussen eine Athletin konstant negativ, so dass sie ihr Potential nicht ausschöpfen kann. Die Selbstgespräche sollen darum systematisch so beeinflusst werden, dass sie der Person helfen, die volle Leistung zu vollbringen. Es geht dabei auch um einen positiven Denkstil.

Wichtig zu wissen ist, dass sich ein positiver Denkstil einüben und positive Selbstgespräche trainieren lassen!

Hilfreiche Selbstgespräche müssen realistisch sein. Gute Selbstgespräche sind Handlungsanleitungen und beinhalten keinen Selbstbetrug. Damit sie ihre volle Wirkung entfalten, verwendet die Athletin ihre «eigene Sprache» und formuliert Selbstgespräche selbst. Es gilt dabei folgende Prinzipien zu beachten:

  • Positive Formulierungen: «Ich werde es gut machen»
  • «Ich» muss enthalten sein: «Ich schaue im Salto meine Knie an»
  • Die eigene Stärke thematisieren: «Ich habe eine gute Schnellkraft», «Ich bin gut im Stehen von Landungen»
  • Lösungsorientiert und handlungsrelevant: «Ich fixiere bei der Landung mit meinem Blick die Sprossenwand»
  • Die Gegenwart oder die Zukunft betreffend: «Ich strecke während der gesamten Übung meine Knie»

Ein Mensch verarbeitet eine Information jeweils sprachlich und bildlich. Im sprachlichen Modus kann eine Athletin mit negativen Formulierungen umgehen – «ich darf nicht stürzen». Beim bildlichen Verarbeiten brennt sich jedoch eine solche Formulierung schnell ein und ein Bild des Stürzens wird automatisch aktiviert. Sollten solche Gedanken auftauchen, soll eine Athletin sofort innerlich «Stopp» sagen und mittels positivem Selbstgespräch ein positives Bild hervorrufen. 

3. Atemregulation

Die Atmung stellt ein wichtiges Steuerungselement der menschlichen Erregungszustände und damit auch der Emotionen dar. Bei Angst, Unsicherheit und Anspannung erfolgt die Atmung flach und schnell. Ruhe, Sicherheit und Entspannung hingegen sind durch langsame und tiefe Atmung gekennzeichnet. Durch die Veränderung des Atemmusters lassen sich Emotionen beeinflussen. So kann beispielsweise Angst durch eine ruhige, langsame, entspannte Atmung vermindert werden. Eine Athletin kann also lernen, ihre Atmung zu beeinflussen und so Emotionen zu steuern. Es geht nicht immer darum, sich zu beruhigen, manchmal ist auch das Ziel, sich zu aktivieren, je nach innerem Zustand der Sportlerin. Bewusstes Atmen kann die Aufmerksamkeit von störenden Gedanken oder Ereignissen ablenken und der Konzentration dienen.

Da sich beim Ausatmen der Brustkorb entspannt, führt bereits eine Konzentration auf das Ausatmen zu einer Wahrnehmung von Entspannung. Zur Durchführung von Entspannungsatmung nimmt die Athletin eine bequeme Grundposition ein und lenkt ihre Aufmerksamkeit auf den Atemfluss. Das Einatmen erfolgt in normalem Tempo, es geschieht automatisch. Die Konzentration liegt auf dem Ausatmen, diese wird etwas verlangsamt ausgeführt. Anschliessend wird eine kleine, aber deutlich wahrnehmbare Pause eingelegt, bis die Einatmung wieder wie von selbst erfolgt. Eine Aktvierungsatmung betont die Einatmung. Nach einer kurzen Pause läuft das Ausatmen wie von alleine ab.

Die drei beschriebenen Techniken des Mentalen Trainings benötigen alle regelmässiges Üben. Sie können sowohl im Training, wie auch an Wettkämpfen und natürlich auch im alltäglichen Leben angewendet werden.

Quellenverweis

  • Maturarbeit von Eva Ulmann, Kantonsschule Wiedikon, 2004
  • J+S-Lehrmittel Psyche, BASPO, 2010

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